
Die Mercer Rosenthal GmbH fährt nach dem geplanten Anlagenstillstand die Produktion von Kraftzellstoff wieder hoch. Der TÜV Thüringen prüfte dabei eine Vielzahl drucktechnischer Anlagen – einige davon mit unkonventionellen Methoden.
Kaum jemand denkt beim Naseputzen, beim Geschenkeverpacken oder beim Kopieren an das Grüne Herz Deutschlands. Und die Wenigsten dürften wissen, dass ein Großteil des dafür notwendigen Grundstoffs für viele Zellstoff- und Papierprodukte seit über einhundert Jahren bei uns in Thüringen produziert wird.
Mit einer Produktionskapazität von 360.000 Tonnen Kraftzellstoff pro Jahr zählt die Mercer Rosenthal GmbH in Blankenstein zu einem der modernsten Zellstoffwerke in Europa. Neben Kraftzellstoff produziert das Unternehmen heute zudem etwa 5.000 Tonnen Tallöl und mehr als 400.000 MWh Ökostrom pro Jahr. Für viele dürfte das Werk besser als Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal (ZPR) bekannt sein. ZPR war eines der Gründungsmitglieder des TÜV Thüringen e.V., heute ist Mercer Rosenthal aktives Mitglied im Technischen Überwachungsverein und auch unter der neuen Firmierung beschränken sich die geschäftlichen Beziehungen nicht nur auf die Prüfungen der Anlagenteile der Zellstoffproduktion: Seit über 35 Jahren verbindet beide Unternehmen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Neben der Anlagensicherheit und -verfügbarkeit vertraut Mercer auch bei der Zertifizierung von Managementsystemen und der Weiterbildung seiner Mitarbeiter auf die Experten des TÜV Thüringen.
Um eine hohe Anlagenverfügbarkeit sicherstellen zu können, müssen die Anlagenteile regelmäßig gewartet, gereinigt und überprüft werden. Dafür setzt Mercer Rosenthal die gesamte Anlage einmal pro Jahr über einen Zeitraum von circa einer Woche außer Betrieb – auch um die notwendigen Prüfzyklen der überwachungsbedürftigen Anlagenteile einhalten zu können. Viele inneren Prüfungen an Großbehältern beziehungsweise deren Festigkeitsprüfung können nicht im laufenden Betrieb durchgeführt werden. Daher werden Prüfungen und notwendige Revisionen genau in dem Zeitraum des Stillstands durchgeführt. In diesem Jahr wurde mit der Errichtung eines zusätzlichen Kochlaugenverdampfers begonnen und der energetische Umbau der sogenannten Kocherei vorangetrieben. Insgesamt 12 Experten des Industrie Service vom TÜV Thüringen waren vom 1. September bis zum 9. September im Einsatz, um die notwendigen und teils äußerst aufwendigen Prüfungen der verschiedenen Druckanlagen, Dampfkessel und Druckbehälter durchzuführen. Insgesamt mussten über 100 Prüfungen bewerkstelligt werden – angefangen vom einfachen Druckluftspeicher, über Kondensatoren, Eindampfern bis hin zu Expansionsbehältern und Wärmeübertragern. Darüber hinaus wurden auch wasserrechtliche Prüfungen sowie innere Prüfungen an Flachbodentanks durchgeführt.
Zu den wohl spektakulärsten und aufwendigsten Prüfungen gehören die inneren Prüfungen der beiden fast 30 Meter hohen und bis zu 335.000 Litern fassenden Sauerstoffreaktoren in der Faserlinie. In diesen Druckbehältern finden im laufenden Betrieb die Bleichprozesse des Zellstoffs statt, die dem Material auf Dauer extrem zusetzen können. Eine eingehende innere Prüfung der Behälter ist daher sehr wichtig, denn anders lässt sich die weitere Resistenz gegen die hier stattfindenden chemischen Prozesse nicht seriös einschätzen. Die Inaugenscheinnahme zielt besonders auf die Wandung, die Böden und die Schweißnähte der Behälter, da diese für gewöhnlich die Schwachstellen einer solchen Anlage darstellen.
In der Praxis gestaltet sich diese Prüfung recht schwierig. Eine innere Einrüstung ist nicht ohne weiteres möglich und wäre mit sehr hohen Kosten verbunden. Aus diesem Grund griffen die Experten des TÜV Thüringen auf eine bereits in den vergangenen Jahren erprobte Methode zurück: Für die Prüfung begaben sie sich auf eine ungewöhnliche Schlauchbootfahrt. Nach der gründlichen Reinigung der großvolumigen Behälter wurden diese mit Wasser befüllt – ein Fassungsvermögen von circa 2.000 Badewannen war dafür nötig. Ausgerüstet mit Wathosen und dem nötigen Prüfequipment wurden die beiden mit dem Schlauchboot inklusive Sicherungssysteme über ein Mannloch am oberen Ende des Behälters eingelassen. Durch langsames Ablassen des Wassers wurden sie nach unten transportiert, hierbei konnten sie den Zustand der Wandung und eventueller Verbindungen genaustens unter die Lupe nehmen. Nach eineinhalb Stunden waren beide wieder unversehrt im Boot am Behälterboden angekommen. Jedoch mussten sie sich noch etwas gedulden, um ans Tageslicht zu gelangen. Das zweite Mannloch im unteren Bereich des Behälters musste per Hand aufgeschraubt werden. Ohne Mängel konnten beide Behälter am Ende der Revision wieder in Betrieb gehen. Die Prüfvorbereitung und -durchführung wurde auch durch die Experten aus der Abteilung Arbeitsvorbereitung der Firma Mercer begleitet.