Warum Energiesparen den Arbeitsschutz verbessern kann
Energie einsparen und dabei gleichzeitig den Arbeitsschutz erhöhen – das klingt zunächst nach einem Widerspruch. Analysiert ein Unternehmen die eigene Situation richtig und leitet entsprechende Maßnahmen ab, kann es aber gelingen.
1. Berührungspunkte zwischen Energieeinsparung und Arbeitsschutz
Auch wenn das Thema Energieeinsparung eher der jüngeren Vergangenheit entspringt und dagegen der Arbeitsschutz bereits eine sehr viel längere Historie aufweist, gibt es zwischen beiden Bereichen dennoch eine Reihe direkter und indirekter Überschneidungen. Geht man allein den Quellen von Gefährdungen auf den Grund, gelangt man unweigerlich zu den physikalischen Einwirkungen wie beispielsweise Lärm, Vibration, Strahlung, Ultraschall, elektromagnetische Felder sowie Über- oder Unterdruck. Diese treten meist nur an speziellen Arbeitsplätzen auf. Trotzdem geschieht es oft, dass diese physikalischen Einwirkungen die Standardeinwirkungen wie psychische oder physische Belastungen, die an fast jedem Arbeitsplatz zu finden sind, regelmäßig überstrahlen.
Doch wie sieht es aus mit allgemeinen Beleuchtungs- und Klimatisierungsverhältnissen, mit möglichen Gefährdungen durch elektrischen Strom, mit Wirkungen, die von diversen Bauprodukten und Gebäudeinstallationen oder beim Gebrauch von Werkzeugen ausgehen können? Und haben nicht auch alle diese Wirkfaktoren einen unmittelbaren Bezug zu Energieverbrauch respektive Energieeinsparung? Mit dem folgenden Überblick stellen wir den Zusammenhang zwischen den Themen Energieeffizienz und Arbeitsschutz her.
Beleuchtung
Sofern nicht allein Tageslicht ausreicht – aber auch darauf wird im weiteren Verlauf noch eingegangen –, sind die meisten Arbeitsplätze mit entsprechenden Raumbeleuchtungen und im Zweifel sogar mit arbeitsplatzbezogenen Beleuchtungssystemen ausgestattet. Die Beleuchtung beeinflusst somit durch ihre Qualität ganz wesentlich die Sehleistung, die Arbeitssicherheit sowie das Wohlbefinden der Beschäftigten. Mit ihrer Hilfe sollen das mühelose Erkennen der im Arbeitsbereich angeordneten Objekte ermöglicht, Gefahrensituationen erkennbar, die Aufmerksamkeit gefördert und vorzeitiger Ermüdung entgegengewirkt werden.
Mit steigender Beleuchtungsstärke wird dabei sowohl die Sehleistung als auch die Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und Konzentration erhöht – natürlich immer vorausgesetzt, dass es nicht zu Blendsituationen kommt. Dazu konkretisiert die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.4 „Beleuchtung“ die Anforderungen an die Beleuchtung von Arbeitsstätten. Darüber hinaus sind in den Anhängen der ASR A3.4 für Arbeitsräume, Arbeitsplätze oder Tätigkeiten mit entsprechenden Sehaufgaben unter anderem für Beleuchtungsstärke und Farbwiedergabe Mindestwerte vorgeschrieben. Woraus sich hier bereits die ersten direkten Berührungspunkte zur Energieeinsparung mit Blick auf die arbeitsschutzgerechte Auswahl neuartiger, energieeffizienter LED-Beleuchtungen sowie die sichere Gestaltung von bedarfsbezogenen Raumbeleuchtungen – selbstredend für An-Aus- und Dimm-Modi – ergeben. Auch wenn diese beiden Maßnahmen durchaus erhebliches Einsparpotenzial in sich bergen, gelten dennoch die gleichen Anforderungen wie für jede andere Beleuchtungsanlage auch.
Betrachtet man in einem weiteren Fall die Nutzung von Tageslicht, stellt sich auch hier unweigerlich die Frage nach der ausreichenden Beleuchtungsstärke, insbesondere im Zusammenhang mit Verschattungsanlagen. Diese sollen nicht nur Blendwirkungen ausschließen, sondern auch regulierend auf das Raumklima – vor allem in den wärmeren Jahreszeiten – einwirken. –Dadurch kann auf den Einsatz von Klimaanlagen ganz oder zumindest teilweise verzichtet werden, was wiederum zu Energieeinsparung führt. Nicht aus der Luft gegriffen ließe sich sogar als gemeinsame Aufgabe für das Energiemanagement auf der einen und den Arbeitsschutz auf der anderen Seite die Energiebilanz zwischen (eingesparter) Kühlung und gegebenenfalls notwendiger elektrischer Beleuchtung bei zu starker Verschattung ableiten.
Heizung und Klimatisierung
Etwas einfacher, aber auf jeden Fall eine Betrachtung wert, gestaltet sich die Bewertung von Heizung oder Klimatisierung. Auch hier verstecken sich durchaus Energieeinsparpotenziale, die es jedoch immer gegen Arbeitsschutzerfordernisse abzuwägen gilt.
Relativ einfach lässt sich das anhand der Raumtemperatur darstellen. Je nach Arbeitshaltung und Arbeitsschwere gelten empfohlene Mindestwerte, die sich aus der Arbeitsstättenregel ASR A3.5 „Raumtemperatur“ ergeben. Zwar leicht abgesenkt, aber dennoch nachvollziehbar und praktikabel, ging auch die vom 1. September 2022 bis einschließlich 28. Februar 2023 geltende Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) auf die Lufttemperatur an Arbeitsplätzen in Unternehmen der Privatwirtschaft ein. Diese Verordnung ersetzte in ihrem Geltungszeitraum übrigens als höherrangiges Recht sogar die Mindestwerte der ASR A3.5.
Elektrizität
Der dritte zu betrachtende Schwerpunkt für Energieeinsparung, sowohl unmittelbar am Arbeitsplatz als auch generell bei komplexen Gebäuden und Anlagen, setzt sich mit der immer weiter zunehmenden Nutzung von Kleinspannung und Bussystemen auseinander. Unter der Voraussetzung einer jeweils ordnungsgemäßen Installation können hierbei die Gefahren durch elektrischen Schlag deutlich reduziert werden. Das kann sogar dazu führen, dass bestimmte Schutzmaßnahmen, die ansonsten ergriffen werden müssten, beim Einsatz dieser Techniken nicht mehr notwendig sind. So kann beispielsweise bei Wechselspannungen unter 25 Volt oder Gleichspannung unter 60 Volt in den allermeisten Fällen gänzlich auf einen Schutz gegen Berühren verzichtet werden.
Nicht ganz vergleichbar, aber ähnlich verhält es sich mit neuen energieeffizienten Werkzeugen. Bei diesen ist in der Regel die Leistungsaufnahme deutlich niedriger als bei vormaligen, schwereren Geräten. Damit gehen geringere Verletzungsgefahren durch niedrigere Drehmomente, geringfügigere Hitzeentwicklungen oder reduzierte Lärmentwicklung einher.
Wärmedämmung
Für Wärmeschutzmaßnahmen sollten grundsätzlich nur zertifizierte beziehungsweise als Bauprodukt zugelassene Materialien verwendet werden, um Arbeitsplätze nicht ungewollt mit Gefahrstoffen zu belasten. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Materialien handelt, die den baulichen Körper dämmen, oder um Heizungs- oder Wasserinstallationen.
Bei Maßnahmen zur Wärmedämmung bestehen die Risiken einer zu hohen Luftfeuchtigkeit, von Kondenswasser oder sogar Schimmelbildung. Ist nur die Luftfeuchtigkeit zu hoch, besteht durch ein nicht mehr optimales Raumklima noch die geringste Belastung. Kritischer wäre dann schon das Abscheiden von Kondenswasser, das Bakterien und Keimen beste Bedingungen für deren Vermehrung bietet, wenn es nicht unmittelbar nach der Entstehung beseitigt wird. Als hochproblematisch stellt sich letztendlich die Bildung von Schimmelpilzen dar, von denen eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung ausgeht.
Alles Vorgenannte wird durch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) aufgegriffen, die laut § 3a dem Arbeitgeber die Verantwortung zuschreibt, „dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden und verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätten hat der Arbeitgeber die Maßnahmen nach § 3 Absatz 1 durchzuführen und dabei den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene, die ergonomischen Anforderungen sowie insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Absatz 4 bekannt gemachten Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.“ Die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.6 „Lüftung“ konkretisiert dazu die Anforderungen der ArbStättV für eine praktische Umsetzung dieser Maßgaben.
2. Welche Bereiche sind im Unternehmen betroffen und mit welchen Auswirkungen?
Auf Grund der vorangegangenen Ausführungen ist unschwer zu erkennen, dass Überschneidungen zwischen Energieeinsparung und Arbeitsschutz in nahezu jedem betrieblichen Bereich auftreten können. Dabei sind sowohl arbeitsplatz- oder tätigkeitsspezifische Abhängigkeiten möglich als auch generelle, wie zum Beispiel in Bezug auf die Gebäudesubstanz, die alle Arbeitsplätze betreffen. Insofern sollte immer eine grundsätzliche und übergreifende Betrachtung von bestehenden und geplanten Energieeinsparmaßnahmen erfolgen, um deren Auswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz ganzheitlich ableiten zu können. Nebenbei ließen sich damit auch das generelle Hinterfragen sowie die Aufwand-Nutzen-Abschätzung für diverse Verbesserungsvorschläge trainieren.
Das Thema Energieeffizienz betrifft also die gesamte Belegschaft, wobei den Verantwortlichen – ob in der Funktion als Arbeitgeber, als Energiemanager oder als Fachkraft für Arbeitssicherheit – natürlich eine besondere Rolle zukommt. Mithin sollte diese Gruppe – jeweils angepasst an den Grad der Betroffenheit – dann auch nach der Methodik „Ursache-Vermittlung-Wirkung“ kommunizieren, um aus Vorschlägen zur Energieeinsparung und Abschätzungen zu deren möglichen Auswirkungen ein Gesamtbild zu erstellen. Diese Analyse sollte möglichst viele Argumente für eine belastbare und umfassende Aufwand-Nutzen-Abschätzung beinhalten, die es gegeneinander abzuwägen gilt. Ein wichtiges Erfolgskriterium besteht dabei unweigerlich in einer ausgewogenen Betrachtung von Energiesparen und Arbeitsschutz. Ferner wird man bei diesem Vorgehen relativ einfach feststellen, dass es Gefährdungen geben wird, die sich auf der Grundlage bereits bestehender vergrößern oder die neu hinzukommen. Andere Gefährdungen werden sich verringern oder gänzlich verschwinden.
Im Übrigen empfiehlt sich dieses analytische Vorgehen grundsätzlich bei allen Veränderungen im Unternehmen, die sich in irgendeiner Weise auf den Arbeitsschutz auswirken können. Nutzt man also die Chance, solche Prozesse proaktiv zu steuern, ergeben sich mithin die größten Erfolgsaussichten, immer jeweils auf einer belastbaren und sachlichen Argumentationsgrundlage.
3. Fazit
Zwischen Energiemanagement und Arbeitsschutz besteht eine enge Klammer. Einfach ausgedrückt: Prävention ist von Anfang an immer mit zu berücksichtigen. Das heißt, bereits bei der Planung von Energieeinsparmaßnahmen sollte auch an daraus resultierende Arbeitsschutz-Maßnahmen gedacht werden. Bilanziell bedeutet das, nicht nur mögliche Energiekostenreduzierungen zu betrachten, sondern diesen gegebenenfalls einen anzupassenden Arbeitsschutzaufwand entgegenzusetzen. Aus der technischen Bewertung der Maßnahmen ergäbe sich gleichzeitig eine gute Grundlage für das Erstellen neuer oder das Aktualisieren bestehender Gefährdungsbeurteilungen (GBU).
Aus diesen GBU wiederum ließen sich fast zwangsläufig alle notwendigen Inhalte für Sensibilisierungen, grundsätzliche Informationen und spezielle Unterweisungen der Beschäftigten ableiten. Das klingt relativ einfach und ist es auch – sofern dabei mindestens eine wichtige Bedingung erfüllt wird: Es bedarf im Unternehmen spezieller Mitarbeiter, die sich als Energieberater, Energiemanager, Sicherheitsbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Beauftragte Personen mit den Themenbereichen Energie oder Arbeitsschutz befassen. Dabei sollten sie nicht nur ihren jeweiligen Spezialbereich professionell beherrschen, sondern auch über Querschnittswissen aus dem jeweils anderen Bereich verfügen, ganz gleich, ob es um Energiebilanzen, das Erfassen von Gefährdungen oder das Erarbeiten und Durchführen von Unterweisungen geht.
Zusammenfassend darf festgestellt werden: Energieeinsparung richtig geplant und umgesetzt hilft nicht nur Ressourcen zu schonen und Kosten zu optimieren, sondern kann sich durchaus auch positiv auf den betrieblichen Arbeitsschutz auswirken, sei es durch verringerte Gefährdungen oder verminderte Schutzaufwendungen.