Fachkräftemangel und Arbeitsschutz - (k)ein Dilemma?!
Kann weniger auch mehr sein? Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über ihn berichtet wird: den Fachkräftemangel. Doch trotz all der Probleme, die sich daraus ergeben – für Unternehmen bieten sich auch Chancen, mit weniger Personal den Arbeitsschutz zu verbessern oder ihn zumindest auf dem aktuellen Niveau zu halten. Unser aktueller Blogbeitrag beleuchtet diese Möglichkeiten und zeigt auf, dass sich aus dem Fachkräftemangel nicht zwangsläufig ein Dilemma für den betrieblichen Arbeitsschutz ergeben muss.
Bedeuten weniger Fachkräfte gleichzeitig weniger Sicherheit bei der Arbeit? Dieser Schluss läge durchaus nahe. Allerdings sind in Unternehmen und Institutionen auch viele andere Bereiche – wie Qualitätssicherung, Energiemanagement oder Umweltschutz – von immer weniger verfügbaren Experten betroffen. Viele Organisationen haben deshalb bereits seit Jahren eine Vielzahl praktikabler Lösungen entwickelt, weil es eben keine geringere Qualität, kein niedrigeres Umweltschutzniveau und keinen ruinösen Energieverbrauch geben darf – und auch nicht weniger Sicherheit bei der Arbeit.
Die Bandbreite reicht dabei von multifunktionalem Personal über die Auslagerung von Unterstützungstätigkeiten an externe Beauftragte bis hin zu Automatisierung und Digitalisierung. So ist es heute keine Seltenheit mehr, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifas) auch parallel Aufgaben im Umwelt- oder Energiebereich wahrnehmen – quasi als vertikale Aufgabenverdichtung. Ähnlich verhält es sich mit den extern beauftragten Personen. Hier dominiert jedoch eher die horizontale Aufgabenbündelung: Ein Mitarbeiter eines Ingenieurbüros für Arbeitsschutz ist bei mehreren Auftraggebern als Sifa bestellt.
Konkrete Lösungsansätze in Bezug auf die Digitalisierung zahlen zwar in der Regel nur auf einen niedrigeren Bedarf an personellen Ressourcen ein, sind deshalb aber nicht minder wichtig. Hier sind zwei Hauptlinien erkennbar.
Zum einen können Unterweisungen beispielsweise als E-Learning im digitalen Format erfolgen. Da die Teilnahme den Mitarbeitern zeitlich asynchron und an einem beliebigen Arbeitsplatz mit PC-Ausstattung möglich ist, entfallen aufwendig organisierte Schulungsveranstaltungen. Solche Lernmanagementsysteme erleichtern zudem die Dokumentation.
Zum anderen gibt es bereits heute eine fast unüberschaubare Anzahl an Softwarelösungen bis hin zu KI-getriebenen Systemen, die die Erhebung, Verarbeitung sowie Auswertung arbeitsschutzrelevanter Daten und Zusammenhänge umfassend unterstützen. KI-Systeme können also Gefahrenquellen identifizieren und minimieren, indem sie Echtzeitdaten analysieren, gegen Erfahrungswerte spiegeln, Unregelmäßigkeiten detektieren, Systeme stoppen und somit negative Folgen für den Nutzer abwenden. Dafür wäre früher ein erheblicher personeller Aufwand erforderlich gewesen.
Weniger Arbeitskräfte benötigen weniger Betreuungskapazitäten
Der Personalmangel bezieht sich selbstverständlich nicht nur auf Fachkräfte, die mit Arbeitsschutzaufgaben betraut sind, sondern auf alle Bereiche in Unternehmen und Institutionen, wo menschliche Arbeit anfällt. Eine mögliche Gegenstrategie besteht darin, Arbeitsschritte oder ganze Prozesse organisatorisch und technisch-technologisch so umzubauen, dass der Personaleinsatz deutlich reduziert oder überhaupt nicht mehr notwendig wird. Stichworte wie Automatisierung oder Digitalisierung spielen hierbei eine wichtige Rolle. Fällt in deren Folge menschliche Arbeit weg, besteht mithin auch kein Betreuungs- und Überwachungserfordernis mehr.
Bezogen auf reduzierte Personalstrukturen und Anzahl der Mitarbeiter folgt in einer nächsten Ableitung, dass im Zweifel nicht mehr so viele Sicherheitsbeauftragte sowie Betreuungsstunden durch eine Sifa erforderlich sind. Der letzte Aspekt kann darüber hinaus dazu führen, dass eine fest in der Organisation angestellte Sifa mit einem größeren Zeitkontingent zusätzlich weitere Aufgaben übernehmen könnte – auch ein Beitrag zur Begegnung des Fachkräftemangels. Bei einer sehr deutlichen Verringerung der Betreuungszeit ließe sich sogar in Erwägung ziehen, die Unterstützung durch eine Sifa generell extern zu vergeben.
Moderne Technik benötigt weniger „Überwachung“ der menschlichen Arbeit
Betrachten wir die technisch-technologische Entwicklung im Allgemeinen, lassen sich – immer angetrieben vom Streben nach höherer Effizienz und Profitabilität – zwei grundsätzliche Wirkrichtungen erkennen: die Erleichterung der Arbeit sowie die Ablösung alter Technologien. Dabei sind natürlich auch neue, moderne Techniken nicht völlig frei von Gefährdungen, sehr oft aber auf einem viel niedrigeren Niveau.
Ganz anschaulich lässt sich das am Beispiel des 3-D-Drucks erklären. Früher war die Herstellung ein kompliziertes Verfahren: Hochtemperaturige und großvolumige Schmelzprozesse, komplexe Füge- und Montageverfahren sowie mechanische und chemische Oberflächenbehandlungen brachten dabei alle ihre spezifischen Gefährdungen mit sich. Der 3-D-Druck funktioniert nun mit einem einzigen Herstellungsschritt. Die Technologie hat konventionelle Herstellungsmethoden revolutioniert – sie ist wesentlich einfacher, computergestützt, automatisiert und mit weniger Gefahren verbunden. Fast selbsterklärend ist hierbei, dass sich eine solche Produktion eben auch weniger personalintensiv darstellt – sowohl in Bezug auf Arbeitskräfte, die den Prozess direkt steuern, als auch auf diejenigen, deren Verantwortung im Arbeitsschutz liegt.
Fazit
Im Arbeits- und Fachkräftemangel liegen Bedrohungen und Chancen zugleich. Wird beides zusammen als Herausforderung für ein zielgerichtetes Vorgehen gesehen, lassen sich durchaus erfolgreiche Strategien entwickeln, insbesondere zur Aufrechterhaltung eines wirksamen und zukunftsorientierten Arbeitsschutzes. Unbestritten haben Organisationen, die dieses Ziel verfolgen, im Kampf um Fachkräfte deutliche Marktvorteile und punkten damit als attraktiver Arbeitgeber.