18. Januar 2024
Wie aus der Sifa die Sifa 4.0 wird
Mit Industrie 4.0 fing es an, inzwischen ist die Arbeitswelt 4.0 daraus geworden. Die Ansprüche sind gestiegen – an die Menschen und deren Tätigkeiten, aber auch an die Arbeitsschützer und den Umgang mit Gefährdungen. Welche Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen braucht also eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) in der modernen Arbeitswelt?
Wissen und dessen einfache Weitergabe reicht für Arbeitsschützer nicht mehr aus. Vielmehr rückt die Handlungskompetenz immer mehr in den Mittelpunkt. Sie bestimmt, ob und wie beratende oder unterweisende Tätigkeiten tatsächlich ihre Wirkung entfalten. Für Sifas lässt sich das auf diese Frage herunterbrechen: Wie schaffe ich es, die Beratung des Arbeitgebers in Arbeitsschutzfragen und die Anleitung, Unterweisung und Kontrolle der Mitarbeiter in vollem Umfang und unter Beachtung aller Gefährdungspotenziale zu gewährleisten?
Das eigene Wissen ist dafür die Grundlage. Hinzu kommt die Methodenkompetenz, sich Dinge selbst erschließen zu können, die nicht in Lehrbüchern stehen. Der Wandel der Arbeitswelt erfordert dies. Denn während Gefährdungen vor einigen Jahrzehnten noch überwiegend mechanischer Natur waren und deren Wirkung in der Regel in Echtzeit eintrat, gibt es heute eine Vielzahl von Gefährdungen, die quasi unsichtbar sind und deren Wirkung sehr viel später eintritt. Die Entwicklung des Wissens und der Informationsfluss dazu laufen zeitverzögert, ebenso die Gestaltung normativer Schutzregelungen. Ein ganz praktisches Beispiel dafür sind die Erfahrungen hinsichtlich mobiler Arbeit aus den Zeiten der Corona-Pandemie. Neben der Herausforderung nach einer hinreichenden Arbeitsplatzgestaltung im Homeoffice traten später Fragen zu den Auswirkungen sozialer Vereinzelung auf. Noch vor vier Jahren hätten die meisten von uns diesen Aspekt als eher exotisch angesehen.
Auf dieser Grundlage lassen sich die Anforderungen an Sifas in einem Soll-Profil festlegen, sowohl als Bildungsziel für die Ausbildung von Sifas wie auch als Anspruch an eine operativ tätige Sifa. Außerdem besteht die Möglichkeit, individuelle Ist-Profile abbilden zu können. In diesen Individualisierungen sind dann die einzelnen Teilkompetenzen naturgemäß durchaus verschieden ausgeprägt. Das Ist-Profil beschreibt den gegen das Soll-Profil bewertbaren persönlichen Status quo, anwendbar auf Zeiten vor, während und nach der Ausbildung sowie in der aktiven Betreuungstätigkeit.
In dieser Übersicht sind alle notwendigen Kompetenzen (K) und Teilkompetenzen (TK) den handlungsprägenden Feldern zugeordnet, die die Grundlage für die Beratungs- und Unterstützungsfunktion der Sifas bilden:
Zugegeben: Alle 29 Anforderungen jeden Tag zu 100 Prozent zu erfüllen, wird kaum realistisch sein. Aber genau deshalb sollten sie regelmäßig überprüft werden, sowohl mittels Selbstreflexion als auch durch das Einholen von Einschätzungen von Führungskräften, betreutem Personal und Fachkollegen – auch wenn alle diese Bewertungen in hohem Maße subjektiv sind und ihnen durchaus unterschiedliche Maßstäbe der verschiedenen Betrachter zugrunde liegen. Selbstverständlich dürfen auch innerhalb des Kompetenzprofils Prioritäten vergeben werden, wobei allerdings immer darauf geachtet werden sollte, keine der Anforderungen ganz wegzulassen. Denn eines ist gewiss: Die Aufgaben und Herausforderungen, die die moderne Arbeitsumwelt mit ihren schnelllebigen Wechseln in Technik und Technologie, Personen und Prozessen, Wissen und Erfahrungen mit sich bringt, lassen sich nur effizient und erfolgreich meistern, wenn in allen Punkten messbare Kompetenzen und Teilkompetenzen vorliegen.
Kein Drahtseilakt – die Balance zwischen Wissen und Handlungskompetenz
Wissen und dessen einfache Weitergabe reicht für Arbeitsschützer nicht mehr aus. Vielmehr rückt die Handlungskompetenz immer mehr in den Mittelpunkt. Sie bestimmt, ob und wie beratende oder unterweisende Tätigkeiten tatsächlich ihre Wirkung entfalten. Für Sifas lässt sich das auf diese Frage herunterbrechen: Wie schaffe ich es, die Beratung des Arbeitgebers in Arbeitsschutzfragen und die Anleitung, Unterweisung und Kontrolle der Mitarbeiter in vollem Umfang und unter Beachtung aller Gefährdungspotenziale zu gewährleisten? Das eigene Wissen ist dafür die Grundlage. Hinzu kommt die Methodenkompetenz, sich Dinge selbst erschließen zu können, die nicht in Lehrbüchern stehen. Der Wandel der Arbeitswelt erfordert dies. Denn während Gefährdungen vor einigen Jahrzehnten noch überwiegend mechanischer Natur waren und deren Wirkung in der Regel in Echtzeit eintrat, gibt es heute eine Vielzahl von Gefährdungen, die quasi unsichtbar sind und deren Wirkung sehr viel später eintritt. Die Entwicklung des Wissens und der Informationsfluss dazu laufen zeitverzögert, ebenso die Gestaltung normativer Schutzregelungen. Ein ganz praktisches Beispiel dafür sind die Erfahrungen hinsichtlich mobiler Arbeit aus den Zeiten der Corona-Pandemie. Neben der Herausforderung nach einer hinreichenden Arbeitsplatzgestaltung im Homeoffice traten später Fragen zu den Auswirkungen sozialer Vereinzelung auf. Noch vor vier Jahren hätten die meisten von uns diesen Aspekt als eher exotisch angesehen.
Kompetenz – der reflektierte Umgang mit Wissen
Kompetenzen gelten als allgemeine, erlernbare Persönlichkeitseigenschaften, mit denen Menschen bestimmte Anforderungen ihres Lebensumfelds bewältigen. Wissen allein würde als kognitive Fähigkeit dafür nicht ausreichen. Aber in Verbindung mit Fertigkeiten – dem Können – sowie Einstellungen und Werten ist es möglich, abhängig von der Situation jeweils richtig und erfolgreich zu handeln.
Konkret heißt das: Sifas müssen sich zunächst Wissen aneignen. Sie lernen in der Sifa-Ausbildung und in Fortbildungen, sie tauschen ihre Erfahrungen untereinander aus, sie reflektieren ihren Arbeitsalltag und sammeln so Informationen. Zwischen organisierten Seminaren mit fest definierten Inhalten und zufälligen oder versteckten Informationen, die sie sich selbst erschließen müssen, gibt es eine große Bandbreite. Hinter diesem Lernen steckt ein hoher methodischer Anspruch: selektieren und priorisieren, Wesentliches erfassen und die Relevanz von Sachverhalten einschätzen zu können.
Das Wissen wirksam zum Wohle aller Beschäftigten anzuwenden, entscheidet über die Kompetenz einer Sifa. Also: Inwiefern kann durch ihr Wirken ein hoher Arbeitsschutzstandard in Unternehmen oder Organisationen erreicht werden? Dabei geht es einerseits darum, wie gut sich Unternehmensleitung und Belegschaft betreut fühlen. Und andererseits darum, wie effizient und den tatsächlichen Arbeitsprozessen entsprechend die Sifa sowohl Arbeitsschutzregeln als auch Gefährdungsbeurteilungen erstellt und wie sie deren Umsetzung betreut.
Konkret heißt das: Sifas müssen sich zunächst Wissen aneignen. Sie lernen in der Sifa-Ausbildung und in Fortbildungen, sie tauschen ihre Erfahrungen untereinander aus, sie reflektieren ihren Arbeitsalltag und sammeln so Informationen. Zwischen organisierten Seminaren mit fest definierten Inhalten und zufälligen oder versteckten Informationen, die sie sich selbst erschließen müssen, gibt es eine große Bandbreite. Hinter diesem Lernen steckt ein hoher methodischer Anspruch: selektieren und priorisieren, Wesentliches erfassen und die Relevanz von Sachverhalten einschätzen zu können.
Das Wissen wirksam zum Wohle aller Beschäftigten anzuwenden, entscheidet über die Kompetenz einer Sifa. Also: Inwiefern kann durch ihr Wirken ein hoher Arbeitsschutzstandard in Unternehmen oder Organisationen erreicht werden? Dabei geht es einerseits darum, wie gut sich Unternehmensleitung und Belegschaft betreut fühlen. Und andererseits darum, wie effizient und den tatsächlichen Arbeitsprozessen entsprechend die Sifa sowohl Arbeitsschutzregeln als auch Gefährdungsbeurteilungen erstellt und wie sie deren Umsetzung betreut.
Das Sifa-Kompetenzprofil – vom Allgemeinen zum Konkreten
Das Vermögen eines Menschen, sich lösungsorientiert speziellen Situationen zu stellen, bildet bei erster Betrachtung eine in sich geschlossene Persönlichkeitseigenschaft ab. Beim zweiten Blick offenbart sich jedoch sehr schnell eine ganze Reihe von Grund- und Teilkompetenzen, die zusammenwirken müssen. Aus diesem Grund bietet es sich in unserem Fall an, nicht einfach von einer generellen „Sifa-Kompetenz“ zu sprechen, sondern eher von einem „Sifa-Kompetenzprofil“.Auf dieser Grundlage lassen sich die Anforderungen an Sifas in einem Soll-Profil festlegen, sowohl als Bildungsziel für die Ausbildung von Sifas wie auch als Anspruch an eine operativ tätige Sifa. Außerdem besteht die Möglichkeit, individuelle Ist-Profile abbilden zu können. In diesen Individualisierungen sind dann die einzelnen Teilkompetenzen naturgemäß durchaus verschieden ausgeprägt. Das Ist-Profil beschreibt den gegen das Soll-Profil bewertbaren persönlichen Status quo, anwendbar auf Zeiten vor, während und nach der Ausbildung sowie in der aktiven Betreuungstätigkeit.
In dieser Übersicht sind alle notwendigen Kompetenzen (K) und Teilkompetenzen (TK) den handlungsprägenden Feldern zugeordnet, die die Grundlage für die Beratungs- und Unterstützungsfunktion der Sifas bilden:
- Know-how: systematisch-methodisches Vorgehen (K), analytische Fähigkeiten (TK), Beurteilungsvermögen (TK), Konzeptionsstärke (TK), Problemlösungsfähigkeit (TK), ganzheitliches Denken (TK), Fachwissen (K), Wissensorientierung (TK), fachübergreifende Kenntnisse (TK)
- Umgang mit sich selbst: Lernbereitschaft (K), Mobilität (TK), Selbstmanagement (TK), ergebnisorientiertes Handeln (K), Beharrlichkeit (TK), Initiative (K), Ausführungsbereitschaft (TK), Einsatzbereitschaft (TK), Rollenbewusstsein (K), Selbstreflexion (K)
- Umgang mit anderen: Kommunikationsfähigkeit (K), Dialogfähigkeit (TK), Lehrfähigkeit (TK), Konfliktlösungsfähigkeit (K), Kooperationsfähigkeit (K), Teamfähigkeit (TK), Beziehungsmanagement (TK), Beratungsfähigkeit (K)
- Haltung: normativ-ethische Einstellung (K), Pflichtgefühl (TK)
Daraus leiten sich Anforderungen für das Wirken einer Sifa ab. In der Broschüre „Kompetenzprofil der Fachkraft für Arbeitssicherheit“ sind in den vier Feldern insgesamt 29 ganz konkrete Anforderungen identifiziert und aufgelistet. Vier Beispiele:
Handlungs-prägendes Feld | (Teil-)Kompetenz | Konkrete Anforderung |
Know-how | Kompetenzstärke | Die Sifa erstellt Konzepte, die wiederverwendbar und erweiterbar sind. |
Umgang mit sich selbst | Beharrlichkeit | Die Sifa verfolgt ihre Ziele mit großer Hartnäckigkeit und überzeugt auch andere. |
Umgang mit anderen | Beratungsfähigkeit | Die Sifa ist in der Lage, andere Akteure zur selbstständigen Lösung von Fragestellungen im Arbeitsschutz zu befähigen und ihr Problembewusstsein zu schärfen. |
Haltung | Normativ-ethische Einstellung | Soziale und ethische Aspekte stellt sie ökonomischen Aspekten voran und sie unterstützt die Entwicklung der unternehmerischen gesellschaftlichen Verantwortung. |
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Zugegeben: Alle 29 Anforderungen jeden Tag zu 100 Prozent zu erfüllen, wird kaum realistisch sein. Aber genau deshalb sollten sie regelmäßig überprüft werden, sowohl mittels Selbstreflexion als auch durch das Einholen von Einschätzungen von Führungskräften, betreutem Personal und Fachkollegen – auch wenn alle diese Bewertungen in hohem Maße subjektiv sind und ihnen durchaus unterschiedliche Maßstäbe der verschiedenen Betrachter zugrunde liegen. Selbstverständlich dürfen auch innerhalb des Kompetenzprofils Prioritäten vergeben werden, wobei allerdings immer darauf geachtet werden sollte, keine der Anforderungen ganz wegzulassen. Denn eines ist gewiss: Die Aufgaben und Herausforderungen, die die moderne Arbeitsumwelt mit ihren schnelllebigen Wechseln in Technik und Technologie, Personen und Prozessen, Wissen und Erfahrungen mit sich bringt, lassen sich nur effizient und erfolgreich meistern, wenn in allen Punkten messbare Kompetenzen und Teilkompetenzen vorliegen.
GBU 4.0 – mit Kompetenz kein Buch mit sieben Siegeln
Bei Industrie 4.0 war es der Bruch mit Techniken und Technologien, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckte. In der Pandemie ging es zu einem großen Teil um bereits bekannte, eben nur bis dato noch nicht genutzte Techniken, die allerdings quasi über Nacht eingeführt werden mussten. Beide Entwicklungen – zum einen geplant, zum anderen ungeplant – verlangen jedoch jederzeit eine ungeteilte Aufmerksamkeit im Arbeitsschutz. Zu keiner Zeit waren und sind gesetzliche und normative Regelungen mit Schutzcharakter außer Kraft gesetzt. Ergo bestand und besteht jederzeit die Verantwortung von Arbeitgebern fort, die Arbeitssicherheit in ihrem Verantwortungsbereich sicherzustellen.
Es erklärt sich dabei fast von selbst, dass dies allein auf der Basis von zu den jeweiligen Zeitpunkten verfügbaren Informationen und Erkenntnissen unmöglich ist. Nur das Anwenden und Kombinieren der vorab beschriebenen Kompetenzen können eine Sifa in die Lage versetzen, derartigen Herausforderungen in allen Richtungen ihres Handelns zu begegnen. Beispielhaft sollen hier einige Belastungen aufgeführt werden, die typisch sind für sogenannte 4.0-Prozesse, aber denen oft nicht mit allbekannten Mitteln und Methoden begegnet werden kann:
- ungefilterte Informationen mit sehr hoher Komplexität
- dauernde Aufmerksamkeit und/oder monotone Arbeiten
- Arbeiten und Führen auf Distanz
- Mensch-Maschine- oder Mensch-Roboter-Kollaboration
- virtuelle Teams und soziale Isolation
- digitale bzw. Software-Ergonomie
- Verunsicherung durch unbekannte Techniken, Technologien und Arbeitsprozesse
In diesem Handlungsumfeld nimmt die Gefährdungsbeurteilung eine zentrale Rolle ein, unabhängig davon, ob es um die Erhebung von neuen oder veränderten Belastungen und Gefährdungen, das Ableiten von Schutzmaßnahmen, das Überprüfen ihrer Wirksamkeit oder die Kommunikation von Analyse und Ergebnissen geht. Daraus ließe sich postulieren, dass sogenannte 4.0-Prozesse eben auch eine GBU 4.0 erfordern. Mithin wird die Erfüllung des Sifa-Kompetenzprofils in seinen wesentlichen Punkten eine äußerst wichtige Voraussetzung dafür sein, aussagekräftige und umsetzungsorientierte GBU 4.0 zu erstellen und zu managen.
AUF DEN PUNKT
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Erstellen von Gefährdungsbeurteilungen (GBU): Aufgabe von Vorgesetzten
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