Manipulation von Schutzeinrichtungen verhindern (DGUV Information 213-114)
Beim Umgang mit Maschinen und Anlagen soll von diesen keine Gefährdung für den Bediener oder Nutzer ausgehen. Ein wichtiges Instrument zum Erreichen dieses Zieles ist der Einsatz entsprechender Schutzeinrichtungen, die durchaus verschiedener Art sein können. Sie dienen dem Schutz des Arbeitnehmers und der Vermeidung von Arbeitsunfällen beim Umgang mit Maschinen und Anlagen. Ihren ureigenen Zweck können sie jedoch nur dann erfüllen, wenn sie voll funktionstüchtig sind. Hier liegt oftmals der sprichwörtliche Hase im Pfeffer: Das Außerkraftsetzen der Schutzeinrichtungen - anders gesagt die Manipulation – kommt leider immer wieder vor, was dann nicht selten zu schweren, sogar tödlichen Unfällen und nicht zu vernachlässigenden Sachschäden mit rechtlichen und finanziell schwer einzuschätzenden Folgen führt.
Das konkrete Ausmaß der Manipulationsproblematik untersuchte eine Online-Befragung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) zwischen Ende 2019 und Sommer 2022. Befragungsergebnisse von mehr als 840 Fachkräften für Arbeitssicherheit und auch Führungskräften werfen zum Teil besorgniserregende Schlaglichter auf den Umgang mit Manipulationen an Sicherheitseinrichtungen.
Gründe für die Manipulation von Schutzeinrichtungen
Wenn von Maschinen ausgehende Gefahren an sich konstruktiv nicht ausreichend minimiert oder ganz beseitigt werden können, sind entsprechende technischen Schutzeinrichtungen vorzusehen, die zwischen Gefahrenbereich sowie Benutzer verortet werden.
Vom Grundsatz her wird dabei zwischen trennenden und nicht trennenden Schutzeinrichtungen unterschieden. Trennende Varianten verhindern permanent den Zugriff bzw. Zutritt von Personen zum Gefahrenbereich. Es gibt jedoch auch Konstruktionen, bei denen es unmöglich oder wenig sinnvoll ist, eine trennende Einrichtungen zu installieren. Dies betrifft vorwiegend die Fälle, in denen durch den Einsatz trennender Einrichtungen die Manipulationsgefahr allein dadurch steigt, dass zum Beispiel das Sichtfeld des Nutzers eingeschränkt ist und deshalb durch diesen versucht werden kann, die vorhandene Schutzeinrichtung zu umgehen. Als Lösungsansatz kommen für derartige Fälle dann nicht-trennende Schutzeinrichtungen in Betracht, die den Gefahrenbereich ohne physikalische Trennung abschirmen und somit Unfälle bzw. Schäden verhindern helfen.
Trennende Schutzeinrichtungen sind in zwei Untergruppen einzuteilen:
- Bei feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen besteht die Schutzwirkung aufgrund einer physischen Begrenzung, die dauerhaft angebracht und optisch gekennzeichnet ist, z.B. ein Schutzzaun.
- Im Gegensatz dazu ist die physische Barriere bei beweglich trennenden Schutzeinrichtungen variabel/flexibel montiert. Denkbar sind Schutztüren oder Rolltore. Die Schutzstellung wird durch Verriegelungseinrichtungen überwacht, die z.B. als Sicherheitsschalter das Ausführen gefährlicher Maschinenfunktion abwenden oder grundsätzlich das Maschinensystem außer Kraft setzen.
Nicht-trennende Schutzeinrichtungen treten vor allem in drei Varianten auf:
- Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen (BWS) sind in der Regel optoelektronische Schutzeinrichtungen, wie bspw. Lichtgitter, Laserscanner oder kamerabasierte Schutzsysteme. Bei Aktivierung, also wenn in ihr Lichtfeld gegriffen wird, stoppen sie die Maschine, noch bevor eine Hand die gefährliche Stelle der Maschine erreicht.
- Druckempfindliche oder durch Berührung wirkende Schutzeinrichtungen, die in Form von Schaltmatten zum Einsatz kommen, stoppen eine gefahrbringende Maschinenbewegung, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter eine solche Schaltmatte betritt.
- Schutzeinrichtungen mit Ortsbindung treten auf als Zweihandschaltung, die die Schutzwirkung erzeugt, indem beide Hände des Bedieners an bestimmten Hebeln anfassen müssen und allein schon dadurch nicht in den Gefahrenbereich von beweglichen Maschinenteilen geraten können beziehungsweise nur so der Antrieb der Maschine funktioniert. Lässt mindestens eine Hand los, schaltet die Maschine sofort ab. Weitere Schutzeinrichtungen mit Ortsbindung sind handbetätigte Befehlsgeber oder Zustimmeinrichtungen, die außerhalb des Gefahrenbereichs der Maschine installiert sind und so die Anwesenheit des Nutzers in einem gefahrfreien Areal erzwingen.
Als Manipulation in engerem Sinne wird ein technischer Eingriff in eine Schutzeinrichtung betrachtet mit der Absicht, diese Schutzeinrichtung und ihre Wirkung auszuhebeln. Die Art und Weise, wie dies passiert, ist durchaus verschieden, jedoch im Ergebnis immer gleich: Die Maschine wird nicht wie vom Konstrukteur vorgesehen beziehungsweise ohne notwendige Schutzmaßnahme verwendet. Komponenten werden entfernt, das Einrasten einer Schutztür wird blockiert, Sicherheitsabstände werden überbrückt…
Die IFA-Befragung „Manipulation von Schutzeinrichtungen Auswertung der Online-Umfrage (2022)“ ergab, dass nach Erfahrung der befragten Arbeitsschutzexperten an über 27% der Maschinen zeitweise oder dauerhaft manipuliert wird. In mehr als 50% der Fälle ist dieser Umstand den jeweiligen Vorgesetzten bekannt und wird erschreckenderweise von diesen sogar toleriert. Hinzu kommt, dass fast die Hälfte der Befragten angibt, dass es mindestens einen (Beinahe-)Unfall gab, dessen Ursache auf die Manipulation einer Schutzeinrichtung zurückzuführen war.
Um hier präventiv in Sachen Arbeitssicherheit einzugreifen, ist es für die Akteure des Arbeitsschutzes enorm wichtig, die Ursachen bzw. Beweggründe für die Manipulation zu kennen und zu wissen, wie diese vermieden werden können. Es stellen sich also Fragen, wie: Warum finden Manipulationen an Maschinen und Anlagen statt? Welche Maßnahmen wirken Manipulationen entgegen?
Die Gründe für Manipulation der Schutzeinrichtungen und das In-Kauf-Nehmen einer so entstehenden gefährlichen Situation mit Folgen für Gesundheit und Wirtschaftlichkeit sind ohne Zweifel mannigfaltig. Als Manipulationsmotive für Betreiber oder Bediener der Maschine seien beispielhaft Bequemlichkeit, Arbeitsschnelligkeit, Zeitaspekte, Leistungsdruck oder Ergonomiegesichtspunkte genannt. Je stärker eine Schutzeinrichtung die Arbeit an der Maschine „erschwert“, desto größer ist der Anreiz, sie zu verändern. Die Anreize und das damit in Zusammenhang stehende Manipulationspotenzial müssen ausgeschaltet werden.
Checkliste: Manipulation von Schutzeinrichtungen verhindern (DGUV Information 213-114)
Eine wertvolle Arbeitshilfe zum Erkennen möglicher Anreize und Ursachen für Manipulation sowie zu den richtigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu deren Beseitigung bietet die Auseinandersetzung mit den Fragen der Checkliste: Manipulation von Schutzeinrichtungen verhindern (DGUV Information 213-114), die im November 2022 veröffentlicht wurde.
Die Checkliste betrachtet vier Elemente und führt den Nutzer durch entsprechende Fragen:
- Beschaffung der Maschine
Bereits im Stadium der Planung der Maschine – sprich noch bevor eine Maschine das erste Mal in Betrieb genommen wird, sollten die Risiken einer Manipulation in Betracht gezogen werden. Ein durchgängiges Sicherheits- und Bedienkonzept inkl. frühzeitiger Planung der Schutzeinrichtungen und Berücksichtigung absehbarer Fehlanwendungen bietet sich die Chance, die spätere Anfälligkeit der Maschine für Manipulation gering zu halten. So werden Lösungen geschaffen, mit denen gut und sicher gearbeitet werden kann. - Eignung der Maschine
Eine Eignung für den Einsatzzweck der Maschine liegt vor, wenn das sichere Betreiben in jeder Lebensphase möglich ist. Im Fall der Nichteignung sollte zusammen mit dem Hersteller die Frage betrachtet werden, ob mittels Nachrüstung einer Betriebsart der sichere Betrieb der Maschine weiterhin realisierbar ist. - Eignung der Schutzeinrichtungen
Die Schutzeinrichtungen einer Maschine müssen für ihren Zweck geeignet sein. Dies ist der Fall, wenn die Bedienperson vor den Risiken der Maschine geschützt, jedoch gleichzeitig nicht mehr als unbedingt notwendig bei der Durchführung der Arbeit behindert wird. Sonst wird der Anreiz geschaffen, die Schutzeinrichtung durch Manipulation auszuhebeln. Wenn Anreize erkannt werden, muss die Eignung der Schutzeinrichtung hinterfragt werden. Dies kann so weit gehen, dass in Absprache mit dem Hersteller auch konstruktive Nachbesserungen erfolgen. Außerdem sind Maßnahmen zu definieren, die Manipulationen behindern. - Mitarbeiterführung und Schulung
Da auch konstruktive Maßnahmen zur Verhinderung der Manipulation an Grenzen stoßen können, ist die Integration des Themas in Schulungen und Unterweisungen notwendig. Die offene und transparente Kommunikation im Hinblick auf bestehende Probleme an Maschinen ermöglicht es, Manipulationen rechtzeitig zu erkennen bzw. vorbeugend zu verhindern.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Akteure des Arbeitsschutzes stets die Gründe der Manipulation ermitteln sollten, wenn eine solche erfolgt ist. Nur die Beseitigung der Ursachen führt dazu, dass Schutzeinrichtungen künftig nicht nochmals ausgehebelt werden. Die Vorteile, die für den Bediener aus der Manipulation folgen, müssen verringert werden. Das Thema sollte in der Führungsriege Beachtung und in der Unternehmenskultur Niederschlag finden. Kontinuierliche Sensibilisierung und entsprechende Schulungen unterstützen alle Beteiligten im Verständnis für das wichtige Thema. Die Gefährlichkeit der Manipulation wird oft unterschätzt. Am Ende des Tages dürfen Manipulationen an Sicherheitseinrichtungen keine Duldung erfahren, was bis hin zur Anwendung notwendiger arbeitsrechtlicher Konsequenzen führen kann.
Bleiben Sie wissbegierig!
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